René Pollesch (1962–2024)
Mit großer Bestürzung haben wir die Nachricht vom Tode René Polleschs am 26. Februar zur Kenntnis genommen.
Für seine richtungsweisenden, theorie- und popkulturgesättigten Texte und bildstarken, immer unterhaltsamen Inszenierungen erhielt René Pollesch – neben vielen anderen Auszeichnungen – 2019 den Arthur-Schnitzler-Preis. Anlässlich seiner Verleihung im Kasino am Schwarzenbergplatz – just dem Ort, an dem Pollesch 2004 seine erste Wiener Inszenierung gezeigt hatte – charakterisierte Laudator Ronald Pohl das Werk des ungemein produktiven Theatermachers mit Verweis auf die „Schnitzler’sche[ ] Preisgabe der am Theater immer noch so häufig anzutreffenden Vorstellung, das Subjekt sei der unversehrte Souverän seiner selbst“. Pollesch stelle
„in seinen Stücken ─ sind es mittlerweile grob geschätzt 36? 68? Oder nicht doch eher 121? ─ nicht etwa die Partikel von Figuren sicher. Das hieße ja bloß, etwas verloren zu Gebendes – das abendländische Subjekt, den heteronormativen Kerl, den kraftstrotzenden Helden – aus dem Geist der Restauration heraus zu rekonstruieren. So landet letztlich jedes herkömmliche Theaterstück bei der Wiederherstellung der schönen Seele. Sei diese, wie uns Schnitzler gezeigt hat, auch noch so korrumpiert oder, harmloser: in Illusionen über ihre Integrität und Moralität befangen.
Bei Pollesch aber spricht die Illusion durch die Menschen hindurch. Nicht die Figuren auf der Bühne setzen Sprechmasken auf (diejenigen des Charakters bildeten ohnehin bloß bürgerlichen Mummenschanz), sondern es sind die ideologischen Verlautbarungen, die sich ihrerseits die Figuren überstülpen.“
Diese apersönliche, ‚postdramatische‘ Ästhetik seiner Stücke hatte ihre konsequente Parallele in Polleschs Arbeitsweise. In seiner Dankesrede bestand er darauf, dass der Schnitzler-Preis nicht nur ihm selbst, sondern ebenso den Schauspielerinnen und Schauspielern, mit denen er nicht bloß die Inszenierungen, sondern auch die Texte erarbeite, gebühre. Dennoch wird man sagen müssen, dass mit René Pollesch eine einzigartige Stimme der deutschsprachigen Theaterlandschaft verstummt ist.